Wie viele zweisprachige Wörterbücher, bieten auch Rechts- bzw. Wirtschafts-Fachwörterbücher für einen gesuchten Begriff in der Regel eine ganze Reihe von Übersetzungsmöglichkeiten an, ohne die genannten Begriffe hinreichend in den Kontext einzubetten, in dem ihre Verwendung üblich ist. Fehlt aber eine präzise Anbindung an den jeweiligen Verwendungszusammenhang, ist nicht mehr erkennbar, ob die angebotenen Übersetzungsmöglichkeiten synonym verwendbar sind oder nicht. Sind sie es nicht, dann ist die Entscheidung für einen der Begriffe nicht etwa eine Geschmacksfrage, sondern richtig - oder eben richtig falsch.
Wer "Vertragskündigung" vom Deutschen ins Italienische übersetzen möchte, muss sich beispielsweise zwischen recesso und risoluzione entscheiden. Das heißt, er muss wissen, ob der geschilderte Sachverhalt nach italienischem Rechtsverständnis als recesso (wörtlich: Rücktritt) oder als risoluzione (wörtlich: Vertragsauflösung) aufzufassen ist.
Das semantische Spektrum einander - schlimmstenfalls nur scheinbar - entsprechender juristischer und wirtschaftlicher Fachtermini der Ziel- und Ausgangssprache ist in der Regel nicht deckungsgleich: So nennt sich der Richter auf Italienisch normalerweise "giudice", der Staatsanwalt ist der "pubblico ministero". Daneben gibt es aber auch den Begriff des "magistrato", der sich sowohl auf die Person des Richters als auch auf die des Staatsanwalts beziehen kann. Wird dieser Begriff bei der Übertragung in das Italienische benutzt, hilft ein erläuternder Zusatz (magistrato giudicante: Richter; magistrato requirente: Staatsanwalt), Unklarheiten zu vermeiden, die beim Textnutzer Missverständnisse hervorrufen könnten.
Auch das Übersetzen von Begriffen des Gesellschaftsrechts ist aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme fehlerträchtig und setzt Hintergrundwissen und sorgfältige Recherchen über Unterschiede und aktuelle Entwicklungen des Kapitalgesellschaftsrechts in Deutschland und Italien voraus: War es früher in der Fachliteratur zum Teil üblich, das italienische "collegio sindacale" als (eine Art von) Aufsichtsrat zu bezeichnen, kann diese Übersetzung nach der Reform des italienischen Gesellschaftsrecht je nach Kontext ausgesprochen problematisch sein.
Vor der Übersetzung von Benennungen muss also geprüft werden, ob die Rechtsfigur oder die Gesellschaftsform, die im zu übersetzenden Text genannt ist, im deutschen und im italienischen Recht in gleicher Weise oder ganz anders geregelt ist.
Um zu vermeiden, dass sich der Nutzer der Übersetzung ein falsches Bild von den Voraussetzungen und Folgen einer Sach- bzw. Rechtslage macht, kann es ratsam sein, den fremdsprachigen Originalbegriff auch im Zieltext beizubehalten, statt ihn durch einen ähnlichen Begriff der Zielsprache zu übersetzen: die Bedeutung des Begriffs wird dann statt dessen in einer Anmerkung erläutert.
Dies ist ein Verfahren, das besonders bei der Übersetzung von Zeugnissen angewendet wird. Berufsbezeichnungen nicht mit ähnlichen - schlimmstenfalls nur ähnlich klingenden - Begriffen der Zielsprache zu übersetzen, wird von den für die Zeugnisanerkennung zuständigen Stellen zum Teil ausdrücklich verlangt.
|